Nachdem ich das Experiment mit der Kurzgeschichte erst mal auf die Ersatzbank geschickt habe und die erste Bearbeitungsrunde des Lektorats erledigt ist, habe ich endlich einmal wieder Zeit gefunden, meinem derzeitgen Roman-Projekt etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen und habe zwei bis fünf Szenen geschrieben (drei davon sind eher weniger vorzeigbar und müssen noch kräftig umgemodelt werden). Dabei habe ich mir dann doch noch einmal Gedanken zum Plotten an sich gemacht.
Meinen ersten Roman „Mitternachtsrot“ habe ich ziemlich frech einfach drauflos geschrieben. Seltsamerweise orientiert sich die Handlung trotzdem ein wenig an der Heldenreise, wie ich im Nachhinein überrascht festgestellt habe. Da dies aber eher zufällig (oder vielleicht ist es auch meine heimliche Begabung, da habe ich mich bis jetzt noch nicht entschieden) so gekommen ist, versuche ich mittlerweile die Handlung vorab wenigstens grob zu skizzieren. Sicher ist sicher, denn wer weiß, ob ich beim ersten Mal nicht einfach nur Glück hatte. Wenn das Gerüst erst einmal steht, kann ich prima drumherum das Gebäude der Geschichte zimmern. Natürlich wird es dabei immer wieder mal neue Anbauten geben, hier ein Erker oder eine andere Zimmeraufteilung. Das macht aber nichts, solange am Schluss ein bewohnbares Haus bzw. eine lesbare Geschichte entsteht.
Neugierig wie ich bin, habe für mein zweites großes Projekt alle möglichen und unmöglichen Internetseite durchforstet und Schreibratgeber gewälzt, um mehr über das „richtige“ Plotten zu erfahren. Um es kurz auf den Punkt zu bringen:
Meine Hauptfigur sollte ein Ziel haben, das sie erreichen möchte, Widerstände oder Probleme, die ihr dabei im Weg sind oder verhindern wollen, dass sie dieses Ziel erreicht.
Jetzt kann die Handlung auf unterschiedliche Weise strukturieren. Für meinen neuen Romane sollte ich auswählen zwischen
dem einfachen Dreiakter mit
Anfang: Einführung der Figuren, der Welt, in der sie leben, und ihre Konflikte.
Mitte: Der längst Abschnitt, mit einem „wellenförmigen“ Spannungsbogen, in dem die Hauptfigur versucht, ihr Ziel zu erreichen, aber immer wieder Rückschläge hinnehmen muss.
Ende: Wie der Name schon sagt: das Ende. Hier sollte der Konflikt gelöst sein, natürlich möglichst schlüssig und folgerichtig. Ich mag es gerne überraschend, solange nicht der gute alte „Deus ex machina“ bemüht wird.
dem Vierakter mit
Einleitung: Auch hier haben wir die Einführung von Protagonist(en) und Antagonist, gerne auch schon von Nebenfiguren. Die Konfliktsituation wird vorgestellt, woraufhin sich unser Held auf den Weg macht und es zu
Komplikation kommt. Hier lauern allerlei Hindernisse auf die Figuren. Am Ende dieses Aktes folgt eine kurze Verschnaufpause.
Katastrophe: Sollten die Figuren meinen, bereits an ihrem Ziel angekommen zu sein, erwartet sie hier der Tiefpunkt, an dem sie glauben, alles verloren zu haben. Die Gelegenheit für die Figuren, doch noch einmal umzudenken.
Auflösung: Was folgt ist die Auflösung und vielleicht haben dann die Figuren (und der Leser) auch etwas gelernt.
dem Fünfakter (müsste noch aus der Schule bekannt sein)
Einleitung: Einführung der Figuren, der Konflikt kündigt sich an
Komplikation: Der Konflikt verschärft sich
Höhepunkt: Die Handlung erreicht den Höhepunkt. Die Figuren sind am weitesten von ihre Ziel entfernt.
Rückschritt: Die Spannung fällt langsam ab, es werden Scheinlösungen geboten, aber es läuft unaufhaltsam auf die Katastrophe hinaus.
Katastrophe und Lösung: Der eigentliche dramatische Höhepunkt wird erreicht und die Konflikte werden gelöst.
oder der Heldenreise (frei von mir interpretiert)
- Wir starten die Geschichte in der gewohnten und langweiligen Welt des Helden.
- Unser Held hört den Ruf zum Abenteuer.
- Aber er möchte dem Ruf nicht folgen.
- Nach anfänglichem Zögern (oder der Überredungskunst eines Mentors) beschließt der Held doch noch aufzubrechen und das Abenteuer beginnt.
- Jetzt gibt es kein Zurück mehr gibt. Unser Held hat seinen langweiligen Alltag hinter sich gelassen.
- Die ersten Bewährungsproben (z.B. Kämpfe) warten auf unseren Helden. Dabei trifft er auf Verbündete und Feinde.
- Der Held gelangt an den gefährlichsten Punkt seiner Reise. Hier trifft er auf seinen ärgsten Widersacher.
- Die entscheidende Prüfung: der Kampf mit dem Schurken. Der Held überwindet seinen Feind.
- Und erringt seinen Belohung (den Schatz, das besondere Schwert oder die Liebe).
- Jetzt geht es zurück nach Hause.
- Durch die Erfahrungen wird der Held quasi „neu geboren“, d.h. er hat sich verändert und ist z.B. reifer geworden.
- Der Held kehrt in seine gewohnte Alltagswelt zurück..
Für mein neuestes Projekt habe ich mir (natürlich) wieder die Heldenreise als Grundgerüst ausgesucht (mir scheint die Struktur zu liegen). Zusätzlich habe ich das Ganze noch in einen Vierakt-Überbau gequetscht, mit der Schneeflockenmethode die Handlung auf den Weg gebracht und auf einem Storyboard geordnet. Der Vorteil: Ich behalte den Überblick, kann spontane Ideen ohne Probleme integrieren und habe dennoch immer das Ziel vor Augen, auch wenn die Geschichte auf dem Weg dahin ein paar Umwege machen sollte und sich nicht sklavisch an die Planung hält (und ich auch damit auch nicht Gefahr läuft eine Schema-F-Geschichte zu produzieren). Zu eng wollte ich es nicht (und sollte es sonst auch niemand) sehen, denn das Schreiben soll doch Spaß machen und die Fabulierlust nicht an allzu engen Vorgaben scheitern.