Wie alles anfing

In meinem, schon etwas älteren Blogbeitrag zur Schwierigkeit von Anfängen, habe ich erwähnt, dass der Anfang meiner Romane und dabei der erste Satz zu den am häufigsten überarbeiteten Textstellen gehört.

Beim Durchsehen alter Aufzeichnungen, bin ich dabei ja über die Anfänge von Mitternachtsrot gestolpert und wollte jetzt doch einmal ganz konkret zeigen, wie sehr sich die allererste Version von dem unterscheidet, was am Ende im gedruckten Buch gelandet ist.

2009
(allererster Versuch)

2015
(endgültige Version)

Es schien wieder einer dieser Tage zu werden an denen man sich am liebsten wieder unter die Decke verzieht und von der Welt um sich herum nichts sehen möchte. Zu dieser Jahreszeit war es noch dunkel und feucht und am Geruch der Luft wusste ich, dass auch dieser Tag wieder feucht und kühl werden würde.

Die Pflicht ließ mich aufstehen, mein wohliges durch meinen Körper aufgewärmtes Lager verlassen. Mit einem bedauernden Seufzen griff ich zur Waschschüssel. Oh Göttin, wann wurde es endlich Frühling? Das Wasser war eisig kalt und so beschloss ich, dass eine Katzenwäsche für heute genügen musste.

 

damals noch handschriftlich © privat
anfangs sogar noch alles handschriftlich © privat
Verdammt, hoffentlich komme ich nicht zu spät. Das dunkle Echo des Tempelgongs hallte durch die noch schlafenden Gassen von Tamai und hatte Lisaan lieblos geweckt. Bei den neun Höllenringen! Herzhaft gähnend befreite sie sich aus der Umarmung ihres Bettgefährten.

Warum muss ich ausgerechnet heute Kindermädchen für die Jungfüchse spielen?

Mmmmh?“, brummte Komlaar schläfrig, raffte die Felldecke an sich und rollte auf die Seite. „Musst du schon aufstehen?“

Ja. Brektaar schickt mich mit den verfluchten Frischlingen auf Patrouille.“ Seufzend überließ sie ihrem Liebhaber das warme Bett und blieb auf der Kante des Lagers sitzen. Eine kribbelnde Gänsehaut überzog ihren nackten Körper. Die rußige Flamme der Talgkerze, die sie anzündete, beschien die spärliche Einrichtung ihrer Kammer: ein Tisch, ein dreibeiniger Hocker und eine Truhe mit geöffnetem Deckel. Lisaan blickte durch das schmale Fenster nach draußen. Es war noch dunkel, aber anhand der Sterne, die allmählich verblassten, erkannte sie, dass es nicht mehr lange dauerte, bis die Sonne aufging. Die Luft roch feucht und moderig und sie ahnte, dass der Tag so unangenehm bleiben würde, wie er anfing. Sie stand auf, streckte ihre steifen Muskeln und griff, mit einem bedauernden Blick auf das Lager und ihren Liebhaber, zur Waschschüssel. Das eiskalte Wasser belebte erneut das Frösteln und vertrieb den letzten Rest Müdigkeit.

Zwischen den beiden Anfängen liegen 5 Jahre mit vielen vielen Stunden Überarbeitung, 7 Testlesern und dem Verlagslektorat.

Dazu passt auch der sehr schöne und anschauliche Blogbeitrag von Nike Leonhard über Romananfänge.

Deshalb werde ich es auch weiterhin dem Rat folgen: Erst einmal drauflos schreiben, überarbeiten kann (bzw. muss) ich später sowieso. Die Vorgehensweise hat sich zumindest für mich als nützlich erwiesen.